Stefanie Klever
Nordic Wines Warum Finnland Wein anbaut Teil 2
Aktualisiert: 1. März 2019
Von Tim Linka, Elina Sappinen-Linka und Stefanie Klever
Die Autoren

Elina:
Gründerin und Eigentümerin von Finnflavours. Mit Ihrem Unternehmen bringt die Finnin köstliche und nachhaltige Produkte Ihres Heimatlandes auf den deutschen Esstisch. Gemeinsam mit Tim lebt Sie einen modernen, urban geprägten Lebensstil in Finnlands ehemaliger Hauptstadt Turku.
Tim:
Seiner Zeit Erasmus-Student aus dem Herzen des Ruhrgebiets, der nach dem Studium Finnland zu seiner neuen Heimat machte. Tim ist Brückenbauer zwischen den Kulturen und Mitbegründer von Finnflavours. Gemeinsam mit Elina trägt Tim ein Stückchen Finnland in die Welt hinaus.
Stefanie: Die Weinexpertin. Weit gereist und viel erlebt, neuerdings im Münsterland Zuhause. Mit Ihrem Unternehmen berät Sie Winzer und Weinhändler in Sachen Marketing und Public Relations. Stefanie ist der Weinprofi in der Runde. Sie liebt alles Nordische und widmet sich als eine der wenigen Experten dem Weinbau in Nordeuropa.
Die Autoren eint ein substantieller Nachhaltigkeitsgedanke und die Wertschätzung für natürliche Lebens- und Genussmittel, sowie ein individueller Lebensstil und ein junges, innovatives Unternehmertum.

Warum Finnland Wein anbaut - Teil 2
„Hey Stefanie, Du glaubst nicht was Elinas Vater mir letzte Tage unter die Nase gehalten hat.....“
Es ist der 5.Juli 2018
Tims E-Mail flatterte völlig unerwartet zu mir herüber. Wovon sprach Tim da?
Was hatte der gute Herr Sappinen seinem Schwiegersohn vorgesetzt?
Für einen kurzen Moment schossen mir Bilder von fermentiertem Grönlandhai durch den Kopf. Was für die Nordeuropäer eine Spezialität darstellt, ist für den Rest der Welt doch eher eine Nahkampfwaffe. „Aber Herr Sappinen ist doch Finne.... die Finnen essen sowas nicht.“ ...hoffte ich für Tim!
Glücklicherweise behielt ich Recht. Herr Sappinen hatte doch tatsächlich einen echten finnischen Wein ausfindig gemacht.... ein Unterfangen, was ungefähr genauso schwierig ist wie das Aufspüren einer Softeisbude inmitten der Sahara. Wie hatte er das gemacht? Was trieb ihn in ein orthodoxes Kloster nach Ostfinnland? Und wo kann ich diesen Wein kaufen? Elina und Tim lieferten nicht nur Daten und Fakten, sondern auch den Wein.
Genau Stefanie, das taten wir! In Finnland erlebt die Weinkultur seit Jahren einen Aufschwung. Bier und Schnaps, so das gängige (und weitgehend richtige) Klischee, dominieren zwar weiterhin den in Finnland streng staatlich regulierten Alkoholverkauf. Doch Wein erfreut sich immer höherer Beliebtheit. Laut Statista lag der Marktanteil von leichten Weinen 1995 bei 10,9%. 2016 waren es 19,4%. Und Alko, der staatliche finnische Alkoholhändler, gibt an, dass die Finnen 2016 53,9 Millionen Liter Wein eingekauft haben, fast die Hälfte (24,5 Millionen Liter) davon gingen auf die Kappe von Rotwein.
Ah ha! Rotwein also. Die Finnen stehen auf Rotwein. Mit dieser Neuigkeit von Elina und Tim hatte ich nicht gerechnet. Das staatliche Alkoholmonopol geht nun weniger einher mit dem augenzwinkernden Hang zum Rausch, der den Finnen immer wieder nachgesagt wird, als vielmehr einem Beschluss der finnischen Bevölkerung, den Handel mit alkoholischen Getränken zu regulieren. Glauben Sie es, oder nicht – in Finnland galt bis zum Jahr 1931 ein absolutes Alkoholverbot. In einem Referendum stimmten dann über 70% der Bevölkerung dafür, das Verbot aufzuheben und den Handel zu besteuern und zu regulieren. Zugegeben, einige berühmte finnische Persönlichkeiten verfassten ganze Bücher über ihren Alkoholrausch, fielen benebelt von der Bühne oder waghalsig von der Skischanze. Bestärkt wurde hier ein fieses Klischee, das wenig mit dem echten finnischen Alkoholkonsum zu tun hat.
Da gebe ich Stefanie Recht. Die wachsende Beliebtheit von Wein geht bei uns in Finnland mit einem veränderten Image einher. Früher galt Wein vielen als etwas abgehoben, doch das ist lange vorbei. Heute wird Wein quer durch die Gesellschaft getrunken und erfreut sich insbesondere zum Essen großer Beliebtheit.
Und wenn auch nicht viel, so wird in Finnland in kleinem Stil auch eigener Wein angebaut und hergestellt. Das Klima mag dem traditionellen Weinanbau nicht zuträglich sein, doch wir Finnen haben zwei Wege um dieses Problem herum gefunden. In einem etwas bizarren (und kurzlebigen) Projekt, das mehr als einmaliges Spaßprojekt durchgeht, wurde 2015 Wein in der Nähe des finnischen Atomreaktors Olkiluoto angebaut. Mit einem Teil des Kühlwassers wurde die Erde erwärmt um bessere Bedingungen für den Wein zu erzeugen. Das Ergebnis: 10.000 Flaschen limitierter finnischer Nuklearwein. Diese noch zu finden dürfte allerdings schwierig sein.

(Stimmt genau, Elina. Wir berichteten bereits darüber! Auch nach aktuellem Stand war nicht eine einzige dieser Flaschen mehr aufzutreiben. Leider! Oder besser gesagt: Valitettavasti!)
Die andere Option in Sachen Wein ist so offensichtlich wie leicht zu übersehen: einheimische Beeren. Finnische Weine, deren Grundzutaten nicht künstlich mit Kühlwasser gepäppelt werden, werden aus arktischen Beeren hergestellt. Kandidaten sind beispielsweise die beliebten Blau- und Preiselbeeren, aber auch die erheblich unbekanntere Moltebeere. Doch auch Erdbeeren finden sich in finnischen Weinen genauso wie nicht-beerige Zutaten wie Rhabarber.

Leider ist es nicht so leicht solche Weine aufzutreiben, denn Alko vertreibt in der Regel nur Importweine. Auf unserer Suche nach Wein für Stefanie stießen wir dann durch Elinas Vater auf die Weine des orthodoxen Klosters Uusi Valamo in Ostfinnland. Nach einem kurzen Roadtrip durch diese unterschätzte Region erstanden wir am Ende einige Flaschen finnischen Wein. Unser Urteil: klasse! Und anders. Das professionelle Urteil überlassen wir der Hausherrin, die ein paar Flaschen in Empfang genommen hat.
Danke Elina, danke Tim. Und so zog sich unser kleines Abenteuer bis in den Januar 2019 als Elina und Tim mir höchstpersönlich die Flaschen überreichten.
Oftmals unterschätzt, gelten Beerenweine als relativ exotische Vertreter unter den Weinen. Dabei bedeutet die Produktion eines Beerenweines viel Aufwand und ein hohes Maß an Fachwissen für den Winemaker. Beeren können um ein Vielfaches empfindlicher sein als es Trauben sind. Sie haben einen geringeren Zuckergehalt und stellen damit jeden Winzer vor echte Schwierigkeiten einen entsprechenden Alkoholgehalt zu erzeugen.
Wenn Sie also mit besagtem finnischen Rockidol von der Bühne fallen wollen, dann muss dem köstlichen Beerenwein Alkohol zugesetzt werden. Hierbei jedoch eine Harmonie im Wein zu erzeugen ist nicht so ganz einfach. Während der Winzer bei Traubenweinen als Unterstützer das Beste aus dem herausholt was die Traube mitbringt, ist er in der Beerenwein Erzeugung viel eher kreativer Taktgeber in der Ausgestaltung des Weines. Verstehen Sie mich nicht falsch, beides bedarf handwerklichem Know-How, Erfahrung und Geschick.
Jedoch bringt die Traube in ihrer ursprünglichen Reife alles mit was man braucht um einen guten Wein zu erzeugen, die Beere jedoch nicht.
Umso erfreulicher und überraschender war dann die Verkostung der orthodoxen Klosterweine. Valamon Valkoinen ist ein Weißwein von ausgezeichneter Qualität. Hergestellt aus weißen Johannisbeeren und mit einem Alkoholgehalt von 11,5% versehen. Ganz klar ein trockener Wein. In der Nase ein seichtes Rosenwasser-Marzipan Aroma, das wunderschön und wirklich ungewöhnlich ist.
Die Überraschung trifft Sie jedoch am Gaumen. Was erst recht süß erschien, wird im Mund plötzlich arktisch klar und weit. (Ich kann es kaum beschreiben) Wie das Phänomen eines „Eisbonbons“ Ende der 80er Jahre. Ein herrlicher Touch von Nektarine legt sich ungeheuer gut über die Säure. Ein sehr langes Finish rundet das Geschmackserlebnis ab. Ich bin beeindruckt! Ebenso erging es mir mit dem Rotwein Valamon Vaeltaja. Auch hier 11,5% Alkoholgehalt, bestehend aus schwarzen Johannisbeeren, Himbeeren und Erdbeeren. Was toll klingt, duftet auch herrlich. In der Nase ein Himbeeraroma das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Dazu ein Hauch Vanille. Und sofort kam der Terroir Gedanke hoch. Hier nehmen Sie die Ursprünglichkeit Finnlands mit jeder Faser Ihres Körpers auf. Nichts duftet künstlich, nichts ist in irgendeiner Form geschönt. Die Klarheit und der kühle Unterton werden auch am Gaumen zum Selbstverständnis des Produktes. Durchaus körperreich, mit Aromen von Himbeeren, Schokolade, Vanille und Limone ist dieser Wein ein Sinnbild für die Kreativität finnischer Winzer.

Doch leider geht auch die schönste Verkostung einmal zu Ende. Einmal mehr hat Finnland bewiesen was mit Ideenreichtum, Fachwissen und einer Menge Zeit so alles möglich ist. Wenn Sie sich jetzt die nächste Skischanze zu eigen machen wollen, dann empfehlen wir Ihnen arktisch klare Beerenweine von den besten Winzern Finnlands.
Sie werden es nicht bereuen...
Kippis!
Stefanie, Elina und Tim Januar 2019