Stefanie Klever
Ainoa
Aktualisiert: 5. Dez. 2019
Wines from the forest
Hollola, Finnland
„Mein Rucksack ist gepackt“, rufe ich zu Aino herüber. Ich fülle noch schnell meine Wasserflasche auf und schlüpfe in die alten, treuen Wanderschuhe die mich schon seit vielen Jahren begleiten. Aino sieht zu mir hoch und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Was machst Du da?“, schießt es mir entgegen. Auf dem Gesicht meiner Freundin aus Kindertagen prangt ein Fragezeichen. Amüsiert mustert Sie die Weingläser in meiner Hand.
„Du weißt schon, dass wir in den Wald gehen, oder Stefanie?!“ Natürlich weiß ich das. Aber Stil will eben gelebt werden. Aino packt den roten Marimekko Schirm ein, nimmt augenzwinkernd die Weinflasche vom Regal und stiefelt ruhig und wohlwollend Richtung Wald.
Bitte behalten Sie ganz kurz dieses Gefühl.
Aino ist der Inbegriff der finnischen Seele. Sie ist Verkörperung und Idealisierung eines tiefen Nationalgefühls. Aino steht wie kaum etwas anderes für die Schönheit, die Harmonie, die Klarheit und die Einzigartigkeit Finnlands. Und Aino ist Namensgeberin des außergewöhnlichsten Weinguts in Europa, der Ainoa Winery.
Zwischen Quito, Cape Cod und Espoo
Als David Cohen gemeinsam mit seiner Frau Paola vor über zehn Jahren die Vereinigten Staaten verließ, konnte er nicht ahnen welch überragende Wertschätzung er als Winemaker im alten Europa erfahren würde. Aufgewachsen im „Bay State“ Massachusetts war David umgeben von Amerikas hochgelobten Bildungseinrichtungen wie dem MIT und der Havard University. Als einer der vermögendsten Bundesstaaten der USA, mit hübsch aufgemotzten Badeorten wie Cape Cod und Martha´s Vineyard, importiert Massachusetts wie kaum ein anderer Bundesstaat Wissenschaftler, Professoren, Demokraten und Ingenieure. Glücklicherweise exportiere er aber David Cohen - und zwar nach Finnland!

Was als Hobby begann wurde zur Profession
In den Vereinigten Staaten war der Weinbau für David Cohen lange Zeit pure Leidenschaft. Als Autodidakt war sein Hobby reine Faszination für ihn, doch die Ergebnisse waren...sagen wie es mal so…ausbaufähig!
Die wirklich guten Trauben aus Sonoma oder dem Napa waren den großen kalifornischen Kellerrein vorbehalten. David sammelte in dieser Zeit unfassbar viel Wissen an. Alsbald ging er gemeinsam mit seiner bezaubernden, aus Ecuador stammenden Ehefrau Paola, nach Espoo in Finnland. Irgendwo zwischen Abenteuerlust, beruflichen Entwicklungschancen und einer äußerst sympathischen Portion Wahnsinn wurde aus dem einstigen Hobby eine echte Profession.
Beerenweine aus Finnland
„Finnviini“ hieß David und Paolas erstes Weingut in Lepaa, südlich von Tampere. Wie jeder gute Winemaker bemerkte auch David innerhalb kürzester Zeit, dass der entscheidende Faktor in der Weinherstellung das Rohmaterial ist. Nun hat Finnland mit seiner unberührten Natur und dem „Jedermannsrecht“ einen entscheidenden Vorteil für die Produktion von Beerenwein.
Das Rohmaterial ist in exzellenter Qualität vorrätig und für Jedermann frei zugänglich.
Davids’ Ehrfurcht vor der einzigartigen Qualität der finnischen Beeren hat mich tief beeindruckt. Seine größte Aufgabe bestand darin, seinen Fokus von den Trauben hin zu den Beeren zu lenken und das Beste aus ihnen herauszuholen. „Ich darf es nicht ruinieren“, sagte er. Nun müssen Sie wissen, dass die Herstellung eines Beerenweines ein echtes Kunststück für den Winemaker sein kann. Als kreativer Taktgeber in der Ausgestaltung eines Beerenweines bedarf es viel Erfahrung und Geschick, da Beeren um ein Vielfaches empfindlicher als Trauben sind. Sie haben einen geringeren Zuckergehalt und stellen damit jeden Winemaker vor echte Schwierigkeiten einen entsprechenden Alkoholgehalt zu erzeugen. David Cohen wendet dazu ein Verfahren an, dass bei der herkömmlichen Weinproduktion in Deutschland durchaus unter bestimmten Kriterien zugelassen ist. Er bedient sich der Anreicherung der Moste. Das heißt, er gibt Zucker in den Most um ihn nicht künstlich mit Alkohol aufpäppeln zu müssen. So entsteht auch in kühleren Gefilden ein Dessertwein von außerordentlicher Qualität.
Und umso höher die Qualität, desto schöner kann die Verkostung sein.
Die Weine der Cohens fallen auf. Sie haben nicht nur die attraktivsten Weinflaschen, die ich in all den Jahren gesehen habe – sie haben eine derart kühne, auf den Punkt gebrachte Einzigartigkeit wie ich sie selten bei Dessertweinen vorgefunden habe. Nun ist meine große Skepsis in Sachen Dessertweinen längst kein Geheimnis mehr. Nach unzähligen Verkostungen quer über den Globus, hat sich in mir der Terroir Gedanke tief verankert. Unabhängig von meinem eigenen Weingeschmack schätze ich an einem guten Wein das Widerspiegeln seiner Herkunft. Persönliche Vorlieben haben in einer professionellen Verkostung keinen Platz, jedoch haben sich gewisse Werte – wenn man im ideellen Sinne bei Weinen überhaupt davon sprechen kann – in all den Jahren auch bei mir manifestiert. Dazu gehört für mich unter anderem die Authentizität eines Weines. Und genau hier setzt David Cohen an. Seine Weine spiegeln vortrefflich die Gegebenheiten Finnlands wider.
Es gibt drei Faktoren die Davids und Paolas gesamte Range einen: Zum einen wäre da die eben erwähnte Authentizität. Die Weine sind unverfälscht, spiegeln Boden, Beere und Umwelt wider. Die Umbenennung in Ainoa ist auch hier ein konsequenter Schritt auf dem Weg zum echten finnischen Lebensgefühl. Des weiteren tragen sie die Handschrift ihres Winemakers, eine gerade Linie die sich über das komplette Sortiment legt. Und dann wäre da noch der von mir so genannte „arktische“ Faktor. Ich erlebte ihn ausschließlich bei Weinen aus dem hohen Norden und könnte ihn höchstens mit dem Effekt eines Eisbonbons Ende der 80er Jahre beschreiben. Es ist ein kühler Unterton der den Gaumen weit macht. Eine Art arktische Klarheit und Frische. Eine wunderschöne Erfahrung, die Sie bei Weinen aus traditionellen Weinbaugebieten vergeblich suchen.
Besonders beeindruckt hat mich der Sametti Sweet Blueberry Wine. Mit 14% Alkohol ein würdiger Vertreter der Dessertweine. In der Nase frische Blaubeeren, ein Hauch von Moschus und feine Nuancen von Schwarzpulver. Am Gaumen äußerst vielschichtig, mit Raucharomen, reifen Blaubeeren, Milchschokolade und arktischer Klarheit.
Ein guter Finne! Er gewann als erster Wein Finnlands eine Goldmedaille in einem internationalen Wettbewerb.
Weiter geht´s mit dem Vaapukka Sweet Raspberry Wine. Im Glas stark erinnernd an einen Pinot Noir, verströmt er in der Nase herrliche Aromen von passierten Himbeeren mit einer schönen Frische und einem waldigen Touch. Am Gaumen überraschend wuchtig, mit Aromen von Himbeere, Lakritz und Pfirsich. Samtig und herb zugleich, mit einem langen Finish und arktischer Klarheit. Vaapukka gewann Trophäen in Paris und erfreute sich auch in unserer Verkostung breiten Zuspruchs.
Besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen aber den Valokki Cloudberry Wine, ein Wein aus nordischen Moltebeeren die ausschließlich in sehr kühlen Klimazonen wachsen. Im Glas sehr rein, nahezu Pastell-Gold. Fein, kräftig, nach Rosen und Kräutertee duftend versprüht er einen Hauch Exotik für alle Menschen die nicht aus Skandinavien stammen.
Am Gaumen dann die Überraschung: Der leicht prickelnde Süßwein entwickelt ungeahnte Nuancen von Harz, Tanne, ätherischen Ölen und arktischer Klarheit. Dieser herbe Schachzug legt sich derart einnehmend über die süßen Untertöne, dass ein herrliches Zusammenspiel von belebenden Kontrasten entsteht. Welch ein Wein! Das Preis-Leistungsverhältnis ist ausgesprochen überzeugend, da keine Flasche die 20 Euro Schwelle übertritt. Erhältlich sind die Weine mittlerweile sogar in Deutschland bei Thorsten Kawinski in Bad Zwischenahn.

Mir bleibt Paola und David Glück, Erfolg und Zuversicht für die weitere Produktion der neuen Ainoa Weine zu wünschen.
Die hohe Nachfrage brachte die Cohens unlängst nach Hollola, in die Nähe von Helsinki wo sie ihre Produktion erweitern werden.
Ich bleibe am Ball und werde die Entwicklung des außergewöhnlichsten Weinguts Europas gespannt für Sie verfolgen!
Kippis!
Stefanie Klever Februar 2019